Dienstag, 4. November 2008

Der Antimobbingnewsletter 17

Für eine Arbeitswelt ohne Schikane, Diskriminierung, Gewalt
und Belästigung (Mobbing)!
Gerichtstermine...Recht und Gerechtigkeit....AGG.....Fernsehsendungen... Würde des Menschen....
»In Deutschland kann man, statt einen Prozess zu führen, ebenso gut würfeln.«
Bundesverfassungsrichter a.D. Prof. Willi Geiger. Karlsruhe. In einem Beitrag in der 'Deutschen Richterzeitung', 9/1982, S. 325


ArbG Stuttgart, AZ: 6 Ca 12098/05,
Schadenersatz und Schmerzensgeldklage wegen jahrelangen systematischen Mobbings


Liebe Mitstreiter im Kampf gegen Arbeitgeber-Willkür,

auch hier wurde monate- und jahrelang (selbst heute noch) wider besseres Wissens behauptet, dass man sich "stets korrekt gegenüber dem Mitarbeiter verhalten habe"

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 19.10.2006 in erster Instanz nun folgendes zweifelsfrei festgestellt:

(7) Indem die Beklagte Ziffer 1 die Herausgabe des vom Kläger genutzten Fahrzeugs VW Passat Variant anordnete gegen Überlassung eines Fahrzeugs Opel Astra hat sie den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Diese Maßnahme stellt nach Auffassung der erkennenden Kammer eine gezielte Schikane dar.

(8) Durch die Anweisung des Herrn „F“ vom 29.10.2003, der Kläger solle nunmehr vom Büro aus tätig werden, hat die Beklagte Ziffer 1 ebenfalls das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Nach der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag wegen Einrichtung eines Home-Office wäre die Beklagte allenfalls berechtigt gewesen, eine Anwesenheit von bis zu einmal pro Woche mit einer Dauer von bis zu vier Stunden anzuordnen (vgl. Punkt 2 Abs. 2).

(9) Ebenfalls als eine das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzende schikanöse Maßnahme wertet die Kammer die Anweisung von Herrn „F“ vom 03.12.2003, der Kläger solle lückenlose rückwirkende Tagesberichte erstellen. Soweit sich die Beklagte hierzu auf einen vom Kläger unterzeichneten Maßnahmeplan zur Verbesserung seiner Leistungen beruft, so hat sie diesen nicht vorlegen können. Maßnahmepläne zur Leistungssteigerung sind selbstverständlich zulässig. Es ist jedoch nicht erkennbar, in welcher Weise lückenlose Tagesberichte rückwirkend für einen Monat hierzu beitragen könnten. Vielmehr stellt eine derartige Anweisung eine fast unmögliche AufgabensteIlung für einen Arbeitnehmer im Vertrieb dar. Nachdem auch nur der Kläger einer derartigen Maßnahme ausgesetzt war, handelt es sich um eine zielgerichtete herausgreifende Diskriminierung des Klägers.

(15) Hinsichtlich der Aufforderung des Beklagten Ziffer 2 vom 21.04.2004, auch ihm die Wochenberichte zu übersenden, handelt es sich nach Auffassung der erkennenden Kammer um eine herausgreifende schikanöse Maßnahme gegenüber dem Kläger, welche dessen Persönlichkeitsrecht verletzt. Zwar betraf die Aufforderung zur Übersendung der Wochenberichte grundsätzlich alle Vertriebsmitarbeiter. Eine derartige Aufforderung hinsichtlich der Versendung der Wochenberichte an den Personalleiter selbst gab es jedoch nicht. Der Sachgrund, weshalb ausgerechnet Wochenberichte auch hinsichtlich Urlaubs- und Krankheitszeiten an den Beklagten Ziffer 2 hätten versandt werden sollen, erschließt sich der Kammer nicht. Vielmehr erweist sich diese Maßnahme als sinnlose und schikanöse Anweisung des Beklagten Ziffer 2, wobei es nicht maßgeblich ist, dass der Anweisung durch Zufügung einer weiteren E-Mail-Adresse unschwer nachgekommen werden konnte.

(18) Durch die Aufforderung vom 02.08.2004, das Fahrzeug VW Touran gegen ein solches der Marke Daewoo (Chevrolet) Matiz zu tauschen, hat die Beklagte den Kläger schwer in seinem Achtungsanspruch gegenüber Dritten und damit in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. In diesem Zusammenhang kann für die Kammer nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich dieser Vorgang am selben Tag des Gütetermins vor der 15. Kammer ereignete, in welchem der Kläger eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ablehnte und hierbei den Beklagten Ziffer 2 verbal angegriffen hat. Dass es sich bei dieser zeitlichen Koinzidenz um schlichten Zufall gehandelt hat, hält die Kammer für ausgeschlossen. Beim Fahrzeug Daewoo Matiz handelt es sich um einen Kleinstwagen. Die Beklagte Ziffer 1 hat durch die vorstehend beschriebene Maßnahme den Kläger, wobei dessen Körpergröße von 1,98 m zusätzlich nicht außer Betracht bleiben kann, gezielt gedemütigt. Durch die ersatzlose Entziehung des vormaligen Fahrzeugs hätte eine derartige Wirkung überhaupt nicht erzielt werden können.

(19) Die Formulierungen des Zwischenzeugnisses vom 06.09.2004 sind nicht von einem verständigen Wohlwollen getragen und verletzen den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht...
Die Beklagte durfte ihre subjektive Bewertung des Klägers auch zum Ausdruck bringen, denn dem Arbeitgeber steht bei der Zeugniserteilung ein Beurteilungsspielraum zu. Die Formulierungen des Zwischenzeugnisses im Einzelnen sind jedoch, insbesondere was die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung betrifft, derart vernichtend, dass es den Beklagten oblegen hätte, im Einzelnen darzulegen, welche konkreten Tatsachen dies rechtfertigen.

(21) Dass der Kläger bei Antritt seiner Arbeit in der Abteilung Allgemeine Verwaltung nach längerer Arbeitsunfähigkeit ein komplett leeres Büro vorfand, stellt keinen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar...
Die Beklagte Ziffer 1 hat den Kläger jedoch in seinem Achtungsanspruch gegenüber seinen neuen Arbeitskollegen in der Abteilung Allgemeine Verwaltung und damit in seinem Persönlichkeitsrecht dadurch verletzt, dass sie ihm erst zwei Tage später einen PC und sieben Tage später ein Telefon zur Verfügung gestellt hat… Diese Maßnahme war somit geeignet, den Kläger gegenüber den anderen Arbeitnehmern bloßzustellen, nachdem die Einrichtung eines Arbeitsplatzes mit PC und Telefon unstreitig zum Standard der Beklagten Ziffer 1 gehörte.

(25) Durch die Zurverfügungstellung des Fiat Panda am 01.03.2005 hat die Beklagte Ziffer 1 das Persönlichkeitsrecht des Klägers schwer verletzt. Im Wesentlichen gilt hier wie das bereits zu (18) Aufgeführte. Ein Vertriebsmitarbeiter in einem Fiat Panda ist in den Augen der Kunden und der Arbeitskollegen schlicht nicht ernst zu nehmen und der Lächerlichkeit preisgegeben.

Zusammengefasst ergeben sich daher die unter den Ziffern (7), (8), (9), (15), (18), (19), (21) sowie (25) geschilderten Vorfälle, durch welche die Beklagte Ziffer 1 den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht in schwerwiegender Weise verletzt hat… Die Maßnahmen der Beklagten Ziffer 1 lassen keinen anderen Schluss zu, als dass sie zielgerichtet erfolgten, um den Kläger zum Ausscheiden aus dem Unternehmen zu bewegen. Die Beklagte Ziffer 1 hat gem. § 823 Abs. 1 i. V. m. § 31, 278 BGB für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen und Organe einzutreten.


Aus diesen wenigen Punkten kann man als Außenstehender leicht erkennen, welche menschenverachtenden und diskriminierenden Methoden in einigen Unternehmen angewandt werden.


Gegen dieses Urteil wurde von beiden Seiten Berufung zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Die Verhandlung findet am 28.06.2007 um 09:30 Uhr vor dem Landesarbeitsgericht, Rosenbergstr. 16 in 70174 Stuttgart statt.


Weitere Infos unter www.mobbing-gegner.de oder www.ADAM-Stiftung.de

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